Emery Escher lebt er seit einigen Jahren in Berlin, nachdem er sein Schauspielstudium an der Bayerischen Theaterakademie August Everding absolviert und zahlreiche Workshops in den USA besucht hat. Zur Zeit ist der in Sachsen geborene Schauspieler in dem ARD-Sechsteiler "Made in Germany" zu sehen.
In der ARD-Dramaserie "Made of Germany" geht es um eine Gruppe von Freunden, die in zweiter Generation in Berlin aufgewachsen sind. Die Serie behandelt die postmigrantischen Erfahrungen der Beteiligten und legt Wert auf eine authentische und zeitgemäße Darstellung. Wie ist das gelungen?
Es ist den Autorenschaft der Serie gelungen, ihre ganz eigenen Erfahrungen in die Serie einfließen zu lassen. Authentizität ist spürbar und macht die Geschichten glaubwürdig und berührend. Das liegt vor allem an der wirklich gelungenen Mischung aus erfahrenen Schauspielern und neuen Talenten. Das Casting ist Greta Baumann zu verdanken. Ich finde es großartig, dass hier Menschen teilweise zum ersten Mal vor der Kamera standen und sofort eine so beeindruckende Leistung abgeliefert haben. Es bringt eine frische und realistische Energie in die Serie.
Sie spielen „Robert“ in der TV-Serie. Beschreiben Sie Ihre Rolle.
In der Serie steht meine Figur etwas überspitzt für die „Kartoffel“, geprägt von Corporate Identity und wirtschaftlichen Interessen. Eine besonders interessante Szene handelt von einer typischen Casting-Situation, wie wir sie aus zahlreichen TV-Formaten kennen. Man fragt sich, ob wir wirklich an der Person Coumba interessiert sind oder einfach nur an ihrer Hautfarbe und der Tatsache, dass sie ein Kopftuch trägt, um dies dann in einer groß angelegten Kampagne als weltoffen zu vermarkten. Diese Dimension der Figur, die meint, einfach nur „good intentions“ zu haben, hat mich besonders gereizt. Es ist eine kritische Reflexion unserer Gesellschaft.
Auf dem Achtung Berlin Festival wurden auch einzelne Episoden gezeigt. Wie war das Feedback des Publikums?
Die Reaktion des Publikums war überwältigend. Ich saß selbst mittendrin und konnte beobachten, wie gespannt die Menschen auf die große Leinwand geblickt haben, wie gemeinsames Lachen über schräge Situationen geteilt wurde und wie absolute Stille bei tragischen Szenen herrschte. Beim anschließenden Gespräch haben sich Publikum und Schauspieler bei den Produzenten bedankt, dass solche Geschichten endlich im Fernsehen zu sehen sind.
Braucht es gerade in diesen Zeiten mehr von solchen Serien? Wie ist Ihre Meinung dazu?
Nach der Europawahl ist es wichtiger denn je zu fragen, was unsere Gesellschaft zusammenhalten soll. Welche gemeinsamen Werte wollen wir leben? Wie sieht sich die junge Generation in diesem Land? Es ist wichtig, sich einander zuzuhören und die Geschichten der Menschen kennenzulernen, die vielleicht nicht als „typisch deutsch“ gelten würden. Diese Serie zeigt, dass sich das „Typische“ verändert und neue Geschichten aus unserer Hauptstadt erzählt werden müssen. Eine multiethnische Gesellschaft bietet großes Konfliktpotenzial, aber auch die Chance, Brücken zu schlagen. „Made in Germany“ schafft dies auf eine berührende Art und Weise, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben.
Sie haben Teile Ihrer Ausbildung in New York absolviert. Von welchen Begegnungen bei Film und Fernsehen haben Sie profitiert?
Ich hatte das große Privileg, mich die letzten zwei Jahre verstärkt in New York aufhalten zu dürfen und habe dabei zahlreiche Filmschaffende kennengelernt. Der Spielfilm „For Those Who Dream In Darkness“, den wir letzten Herbst in der Nähe von New York City gedreht haben, ist aktuell bei deutschen und internationalen Filmfestivals in der Auswertung. Ich habe mich riesig gefreut, in diesem Film, welcher von der Ehekrise eines jungen Paares handelt, nicht nur die Hauptrolle zu übernehmen, sondern auch an der Produktion mitwirken zu können. Das waren unglaublich intensive Dreharbeiten. Gleichzeitig möchte ich all die spannenden Weiterbildungen, die ich in New York besucht habe, auf keinen Fall missen. New Yorker begegnen dem Schauspiel mit einer aufrichtigen Ernsthaftigkeit und einer spielerischen Leichtigkeit. Sie wollen der schauspielerischen Wahrheit auf den Grund gehen. Für mich ein lehrreicher Kontrast zu der Art und Weise, wie wir in Deutschland das Schauspiel betrachten.
Neben Filmarbeiten stehen Sie auch für diverse Theaterproduktionen auf der Bühne. Ihr letztes Stück, „Blind Date mit dem Leben“, war auf erfolgreicher Deutschland-Tournee.
Die Geschichte von Saliya Kahawatte, die auf wahren Begebenheiten beruht, ist vor allem deshalb so berührend, weil sie eindringlich zeigt, dass sozial benachteiligten Menschen (Saliya ist hochgradig sehbehindert) viele Steine in den Weg gelegt werden. Gleichzeitig ist es ein Appell an Freundschaft und die Tatsache, dass zusammen vieles möglich ist. In unserem Stück sagt Saliya immer, dass Aufgeben für ihn einfach keine Option ist. Ich spiele seinen besten Kumpel und begleite ihn durch die Achterbahnfahrt seines Lebens. Immer mit viel Blödelei, sowohl vor den Kulissen als auch dahinter.
Sie engagieren sich auch als Theaterpädagoge für Jugendliche und leiten zum wiederholten Mal das Sommercamp der Phase BE, bei dem Sie kreative Kurse anbieten. Wie finden Sie Zugang zu den Schulabgängern und wie wird das kreative Angebot aufgenommen?
Der Zugang zu den Jugendlichen ist jedes Mal eine Herausforderung, aber das Resultat ist immer überwältigend. Anfangs gibt es oft eine große Abwehrhaltung, aber am Ende der gemeinsamen Schauspielarbeit haben alle Tränen in den Augen, wenn sie sich nach der Premiere des Musicals verabschieden. Die meisten Jugendlichen sind vorher noch nicht mit Singen, Tanzen oder Schauspiel in Berührung gekommen. Deshalb gibt es da sicherlich erstmal eine große Distanz. Mit viel Witz und Charme und der Einstellung, Fehler zuzulassen, brechen wir das Eis und ermöglichen den Jugendlichen, über sich hinauszuwachsen und eine atemberaubende Performance auf der Bühne abzuliefern.
Was gefällt Ihnen an dieser Tätigkeit?
Diese Arbeit zeigt mir immer wieder, wie wichtig es ist, nicht nur die notwendigen Kernkompetenzen wie Mathe und Deutsch zu fördern, sondern auch das Soziale und Kreative. In der Schulausbildung kommt dies oft zu kurz, und die Gelegenheit, im Sommercamp so intensiv mit den Jugendlichen zu arbeiten, ist für mich ein Geschenk. Ich hoffe sie finden Selbstvertrauen und benutzen ihre eigene Stimme.
Wie sieht Ihr nächstes Engagement aus? Wo können Zuschauer Sie sehen?
Im Herbst werde ich wieder auf der Theaterbühne zu sehen sein. Diesmal gibt es eine der großen griechischen Tragödien: Medea. Ich freue mich wahnsinnig darauf, die Rolle des Jason am Mittelsächsischen Theater Freiberg zu spielen. Während des Schauspielstudiums gehörte Jason immer zu meinen Traumrollen. Ab Anfang Oktober ist Premiere, kommt vorbei!
Welche drei Orte in Berlin liegen Ihnen besonders am Herzen?
Da ich im Wedding wohne, ist meine erste Adresse immer der Volkspark Rehberge und der dazugehörige Plötzensee. Dort gehe ich gern spazieren, kann entspannen und auf einer Parkbank in Ruhe ein Drehbuch lesen. Für mich gehören Wasser und Stadt zusammen, deshalb bin ich gern an der an Museumsinsel, direkt an der Spree. Mit Gästen besuche ich am liebsten den Fernsehturm. Von dort oben hat man einen tollen Blick über die Stadt und kann gleichzeitig viel über die Geschichte Berlins lernen. Und dabei sogar essen – das ist doch wahnsinnig sweet, oder?
Danke für das Interview