Einfach losziehen und sich treiben lassen

Interview mit Friederike Becht

Der Name Friederike Becht steht für eindringliche Filme. Von Anfang an spielte sie gute Rollen. Etwa in „Westwind“, die Geschichte der Ruder-Zwillinge und ihre Fluchtpläne aus der DDR. Mittlerweile ist die 37-jährige Schauspielerin bekannt aus zahlreichen Filmen und spannenden TV-Serien. Zu ihren Rollen zählen eindrucksvolle Frauen aus der Geschichte wie die junge Hannah Arendt, Cosima Wagner oder Käthe Kruse. Im Dreiteiler „Der gleiche Himmel" wirkt sie an der Seite eines Romeo-Agenten (gespielt von Tom Schilling). Für die Thriller-Serie „Schneller als die Angst" bekam sie für ihre Rolle als Zielfahnderin Sunny Becker den deutschen Fernsehpreis als beste Schauspielerin verliehen. Im jüngsten Spreewaldkrimi „Die siebte Person“ verkörpert Becht eine Frau mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung. Bevor die vielseitige Schauspielerin aus der Pfalz vor die Kamera trat, machte sie sich bereits einen Namen auf der Bühne des Berliner Ensembles in Peter Steins Wallenstein. Nach verschiedenen Bühnen-Engagements ist sie aktuell Ensemblemitglied am Schauspielhaus Bochum. 

Spielen Sie lieber Theater oder Film?

Ich habe das Privileg, mich nicht entscheiden zu müssen. Theater und Film sind Spielarten, die sich gegenseitig befruchten und beflügeln. Ich mag und spiele beides gerne im Wechsel.

Im neuesten Bühnen-Stück „Blank“ im Schauspielhaus Bochum geht es um Gewalt und Kriminalität. Drei Teenager versuchen, das perfekte Instagram-Video über den Mord an einem Mädchen zu drehen. Aktuell sorgen mehrere Fälle von Gewalt unter Kindern für Entsetzen. War das auch Thema bei den Proben?

Ja, die aktuellen Ereignisse waren absolut ein Thema, dem wir bei den Proben ziemlich viel Raum gegeben haben. Darüber hinaus haben wir uns aber auch mit Fällen beschäftigt, die weiter in der Vergangenheit liegen. 
Generell geht es darum, auf der Bühne eine Sprache für ein Thema zu finden, mit dem sich jeder Zuschauer und jeder Darsteller auf ganz individuelle Weise auseinandersetzt. Das ist ein intensiver Prozess.

Sie haben selbst Kinder. Wie wappnen Sie sie fürs Leben?

Auf der einen Seite geht es natürlich darum, ihnen klassische Regeln bzw. Achtsamkeitsübungen zu vermitteln, z.B. Augen auf beim Überqueren der Straße. Andererseits ist es entscheidend, Kinder stark zu machen, sie müssen in ihre eigenen Fähigkeiten vertrauen, sich selbst etwas zutrauen. Ich versuche, meine Kinder täglich auf diese Weise zu bestärken, damit sie mit Liebe und Zuversicht durchs Leben gehen können.

Sie spielen meist sehr komplexe Figuren. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Rollen vor?

Ein neues Projekt gleicht einer Forscherarbeit. Man muss in ein Thema eintauchen und sich einer Figur nähern. Das gelingt mir zum Beispiel, indem ich Filme schaue, Bücher lese, Beruf und Orte kennenlerne und mich auch körperlich einer Rolle annähere, zum Beispiel mit mehr Sport. Darüber hinaus muss man sich auch innerlich öffnen können. Auch wenn die Haltung einer Figur nicht meine ist, musss ich mich dennoch ihrer Welt annehmen. Coaching ist bei der Vorbereitung deshalb für mich ein entscheidender Punkt. Es geht um innere Arbeit, alleine und im Team, darum, alles loszulassen und auf den Moment und das eigene Können, die Art, wie ich etwas umsetze, zu vertrauen.

Friederike Becht spielt die Psychiatrie-Patientin Maja Wichann im Spreewaldkrimi „Die siebte Person“

Gibt es eine Traumrolle?

Nein – Traumrollen sind alle Rollen, die ich noch nie gespielt habe. [lacht] Aber es gibt natürlich immer viele Ideen. Eine schwarze Komödie wäre zum Beispiel mal toll.

Drehen Sie neben der Theaterarbeit wieder fürs Fernsehen?

Ja, es steht ein interessantes Projekt an, das an meine Theaterarbeit anschließt. Dazu kommen viele Projekte, die jetzt ausgestrahlt werden, zum Beispiel „Einfach Nina“ und „Geranien“ und der Kinofilm „Vena“. Die Zuschauer können sich freuen!

Sie haben eine Weile in Berlin gelebt. Wie oft sind Sie noch in Berlin?

Ich habe sogar sieben Jahre in Berlin gelebt und bin heute noch ungefähr einmal im Monat in der Hauptstadt, um Freunde zu sehen, meine Schwester zu besuchen, mit ihr Fotos zu machen, und oft auch, um zu arbeiten.

Was gefällt Ihnen besonders gut an der Stadt?

Man kann einfach losziehen und sich treiben lassen. Man braucht keinen Plan für die Stadt. Sich ins Café setzen, eine Lesung unter freiem Himmel besuchen, den Musikern am Ostbahnhof zuhören. – Überall wird so viel geboten. So habe ich auch eine meiner schönsten Silvesternächte verbracht. Wir sind einfach ohne festen Plan losgezogen, haben Menschen getroffen, die man nicht kannte. Das war einfach schön und sowas geht in Berlin.

Was gefällt Ihnen nicht?

Der Volksentscheid hat mich enttäuscht und traurig gemacht. Die Tatsache, dass die Berliner es nicht geschafft haben, für das Klima zu stimmen, kam für mich überraschend. Dabei geht es doch um die Sicherheit von jedem einzelnen. Und mir gefällt nicht, dass in Berlin die Mieten so hoch sind und man dagegen nicht die richtigen Instrumente findet, das dürfte nicht sein. Außerdem habe ich eine Erfahrung gemacht: Man kann in Berlin sehr gut träumen – sich aber auch zu sehr verlieren.

Danke für das Gespräch.

Ina Hegenberger

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