Handwerk im Fokus

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, Detlef Gülker, Alexander Stöckl , Wolfgang Lüttgens, Bülent Sak, Dr. Frank-Peter Muschiol , Dr. Steffen Skudelny v.r.n.l.
Denkmalschutz

Bei einem Festakt im Roten Rathaus ehrte Anfang Dezember 2024 die Stiftung Deutscher Denkmalschutz Handwerker und Denkmaleigentümer aus Berlin. Unter anderem wurde mit einem 1. Preis ein Ensemble aus Wohnhäusern in Berlin Tempelhof ausgezeichnet, die „Attilahöhe“.

Es gehört Mut dazu, ein Baudenkmal zu besitzen. Sein Erhalt und seine Pflege erfordern obendrein besonderes handwerkliches Können. Das Zusammenspiel aus Leidenschaft und Know-how würdigt einmal im Jahr die Stiftung Deutsche Denkmalpflege in zwei Bundesländern (2024 Berlin und Rheinland-Pfalz). Den Preis gibt es für die Bewahrung eines Baudenkmals in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Handwerk für eine herausragende Arbeit.

Der Große Festsaal im Roten Rathaus diente als ehrwürdige Kulisse für die Preisvergabe an sechs Denkmaleigentümer und 25 Handwerker aus Berlin. Zu den der herausragenden und mit einem 1. Preis bedachten Bauwerke gehören die Wohnhäuser der „Attilahöhe“. Das Siedlungsensemble in Berlin-Tempelhof wurde von 1928 bis 1936 in mehreren Bauabschnitten von Bruno Taut und Franz Hoffmann errichtet. Herausgekommen ist eine zeitlose Architektursprache im sachlich-funktionalistischen Stil, geprägt durch klare Linien mit einer schlichten Fassade. Mit seinem damals revolutionären Architekturkonzept schuf Bruno Taut für einen großen Teil der Berliner Bevölkerung in den 1920er- und -30er-Jahren dringend benötigten Wohnraum. Die Einwohnerzahl war rasant auf über vier Millionen angestiegen, die Obdachlosenasyle waren überfüllt. In der aufstrebenden Metropole herrschte eine katastrophale Wohnungsnot. Tauts Interesse galt somit vor allem dem sozialen Wohnungsbau. Wert legte der Architekt dabei auf Farbe, Licht und eine grüne Umgebung statt grauer Mietskasernen mit dunklem Hinterhof. Der Maxime Licht, Luft und Sonne – auch für Arbeiter! – folgten damals viele andere  Architekten. Bruno Taut gehört wohl zu den führenden und prominentesten Vertretern des „Neuen Bauens“. Bis heute sind die fünf Häuserblöcke der Attilahöhe Eigentum der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG.

Nach rund 100 Jahren wurde die von Bruno Taut und Franz Hoffmann geschaffene Siedlung „Attilahöhe“ der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG saniert
Das Wohnbauensemble in Berlin-Tempelhof nach der Sanierung 2022

Im Jahr 2019 beauftragte die Wohnungsbaugenossenschaft das Berliner Büro Blumers Architekten mit der Sanierung der beschädigten und in die Jahre gekommenen Substanz. Behutsam und in kleinen Schritten erfolgten für die rautenförmig angelegten Häuser diverse Instandsetzungsmaßnahmen. Ziel war es, die historisch gestalterischen und baulichen Qualitäten von einst wiederzugewinnen. Die bewusste Klarheit und die schmucklosen Wandflächen erforderten dabei ein besonderes handwerkliches Können in enger Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde.

Bei den Untersuchungen der verwendeten Baustoffe wurden bis zu vier unterschiedliche Schichten identifiziert, die drei Renovierungsphasen zugeordnet werden konnten. Somit gelang es, den ursprünglichen Farbton der straßenseitigen Front von einst, wie ihn Bruno Taut wählte, zu definieren und das Gebäude in seinen Originalzustand zurückzuverstzen.

Im festlichen Rahmen wurde der Bundespreis für Handwerk 2024 im Roten Rathaus an Denkmaleigentümer, Handwerkerinnen und Handwerker überreicht

Den Auftrag für die anspruchsvollen Putzarbeiten übernahm das Berliner Unternehmen BIG.B Bau- und Instandsetzung GmbH. Straßenseitig wurden alle Fassadenflächen zunächst bis auf die Rohbauwand zurückgebaut und anschließend mit einem Vorspritzmörtel vorbehandelt. Anschließend trugen die Fassadenprofis einen Unterputz mit 15 mm Stärke auf. Als Oberputz kam ein mineralische Edelkratzputz zum Einsatz. Dank des mineralischen Wirkprinzips wird Feuchtigkeit von der Fassadenoberfläche in feine Kapillare transportiert und kontrolliert wieder abgegeben. Auf diese Weise trocknet die Fassade schneller ab, Algen und Pilzen wird die Grundlage entzogen und so der Bewuchs an der Fassade verhindert – ohne die sonst üblichen, umweltschädlichen Biozide. Die neue Farbgebung orientierte sich nun wieder am historischen Vorbild aus Beigetönen und Rosé.

Mit alter Gebäudesubsanz hat BIG.B  Bau langjährige Erfahrungen. So zeichnet das Bauunternehmen auch für die Fassadenerneuerung des Bikini-Hauses aus den 1950er-Jahren verantwortlich. Bei dem langgestreckten Gebäude, das nach den Plänen von Paul Schwebes und Hans Schoszberger errichtet wurde, mussten unter anderem für die heutigen wärmeschutztechnischen Anforderungen und unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes die Fassaden erneuert werden. Auch für diese handwerkliche Umsetzung wurde BIG.B Bau ausgezeichnet: als „Berliner Energiesparmeister 2015“.
 

Ina Hegenberger

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