Im Revier Südost will man zu neuen Ufern

Ja

Auf dem Gelände der ehemaligen Bärenquell-Brauerei in Schöneweide soll auf 40 750 Quadratmetern ein neues buntes Quartier entstehen, das einmal Gewerbe, eine Universität, Büros und Gastronomie beherbergen kann. Auch ein kleines Brauereimuseum ist geplant. Der Masterplan steht und erste Baugenehmigungen sind vom zuständigen Bauamt erteilt worden. Bis dahin gibt es eine vielfältige Zwischennutzung.

Die Berliner waren mal Weltmeister in Sachen Bier. Hier wurde gebraut, was das Zeug hielt. Mit etwa 100 Brauereien war Berlin vor 100 Jahren der weltgrößte Brauereistandort. Gebraut wird heute nur noch selten in den alten Berliner Brauereien. In Neukölln gibt es in der Kindl-Brauerei vor allem Kunst, in der Schultheiß-Brauerei am Viktoria-Berg wird gewohnt und in Moabit ist die ehemalige Schultheiß-Brauerei ein Einkaufszentrum. Die Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg hat sich, wie der Name schon sagt, der Kultur verschrieben: Kino, Musik, Lesungen, solche Dinge.

Als offener und lebendiger Ort soll sich das Gelände entwickeln, …
… auch der Uferbereich bleibt der Öffentlichkeit erhalten.

In Schöneweide im Berliner Südosten floss 1994 in der Bärenquell-Brauerei der letzte Tropfen Bier aus den Kesseln. Seitdem standen die alten denkmalgeschützten Brauereigebäude aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert leer und verfielen zusehends. Mehrere Besitzerwechsel brachten keine Besserung. Besorgte Beobachter rechneten schon mit Abriss. Während sich das nördliche Spreeufer entlang der Wilhelminenhofstraße in der letzten Zeit zu einem attraktiven Kutur- und Bildungsstandort entwickelt hat, war das südliche Spreeufer bislang abgehängt. Außer etwas Einzelhandel ist an der Schnellerstraße in Niederschöneweide nicht viel Neues passiert. Triste Fachmärkte und riesige Parkplätze in bester Wasserlage, das scheint aus heutiger Sicht widersinnig. Das Gegenkonzept soll nun Wirklichkeit werden. Vielfältig, bunt und jung stellt sich der israelische Investor Ofer Hava mit seiner Firma HCM 365 die Zukunft des Geländes vor. Hava betont: „Das Quartier soll organisch an die kreativen Nutzungen der Werksgebäude am anderen Spreeufer anschließen und dabei sowohl Unternehmen und Start-ups als auch Kulturprojekten die passende Atmosphäre bieten.“ Geplant ist eine Mischnutzung von Gewerbe, Bildungseinrichtungen und sozio-kulturellen Angeboten. 250 Millionen Euro will Hava in die Entwicklung des Areals investieren. Ziel ist es am Ende, 75 Prozent der Altbausubstanz zu erhalten und durch 25 Prozent Neubauehutsam zu ergänzen. Auch mit den Eigentümern der angrenzenden Gewerbeflächen ist Hava im Gespräch. Anders als an den Brauereistandorten in Prenzlauer Berg zum Beispiel soll der raue Charme des Areals erhalten bleiben. Ausdrücklich angestrebt wird so auch der Erhalt von gelungener Graffitikunst.

Vielfältig und bunt soll es auch nach der Sanierung bleiben

Den Masterplan für das Gebiet erstellte Architekt Sergei Tchoban. Er sieht vor, das einstige Werksgelände mit Veranstaltungsräumen und Freizeitmöglichkeiten als offenen und lebendigen urbanen Ort zu entwickeln. Auch das Spreeufer wird an dieser Stelle für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Tchoban ist von der Zukunft des alten Industriegebiets überzeugt: „Der Bereich Schöneweide ist vielleicht der spannendste Stadtraum, wo sich die Spree und die wertvollen Denkmäler von Elektropolis Berlin vereinen“. Kreativer und gleichzeitig sensibler Umgang mit dem Denkmalschutz sind dem Architekten wichtig. Zusammen mit weiteren Architektenkollegen hat sein Büro Pläne für die einzelnen Bereiche des Geländes vorgelegt. Wichtigstes Projekt des Vorhabens ist die Entwicklung des einstigen Sud- und Maschinenhauses. Der Berliner Architekt Jochen Klein will das Ensemble um Neubauanteile ergänzen. Später soll hier auf 5 000 Quadratmetern Fläche eine Universität einziehen mit Hörsälen, Mensa und Bibliothek. Gleich angrenzend ist ein überdachter Hof mit Glasdach vorgesehen. Der Sudhausbereich könnte das Ankerprojekt für das gesamte Revier Südost sein. Die Partie um das einstige Flaschenabfüllgebäude an der Spree ist von dem niederländischen Büro Barcode Architects entworfen worden. Erste Baugenehmigungen sind trotz laufendem Bebauungsplanverfahren vom Bezirksamt Treptow-Köpenick schon erteilt. „Dem Bezirksamt geht es also weniger um Zwischennutzungen, vielmehr darum, die Wiedernutzbarmachung, Revitalisierung und Restaurierung der denkmalgeschützten Bausubstanz herbeizuführen“, erklärt Bezirksbaustadtrat Rainer Hölmer.

Zwischennutzung mit Kultur und Gastronomie
Theater unter freiem Himmel als Nutzungskonzept

Mittlerweile ist auf dem Gelände eine vielfältige Zwischennutzung angelaufen. Mit der ZMF Event GmbH hat sich ein interessanter Hauptmieter gefunden. Als der Mietvertrag des Technoclubs Griessmühle am Standort Neukölln nicht verlängert wurde, fand man mit Ofer Hava einen aufgeschlossenen Partner. Somit konnte der Club nach Schöneweide umziehen. Ein Nachteil: das Revier Südost liegt etwas ablegen. Positiv stimmt die Betreiber, dass auf der gegenüberliegenden Spreeseite viele Studenten wohnen, also potenzielle Gäste. Das Revier Südost soll jedoch nicht nur Technofans locken, sondern alle Generationen ansprechen mit Biergarten, Kino, Theater, und das möglichst ganzjährig im Freien. Regelmäßig finden hier Märkte statt, wo Kunst, Trödel und regionale Spezialitäten angeboten werden. Im vergangenen Jahr wollte Hava die Off-Broadway-Show „Sleep no more“ nach Schöneweide holen. Der Name war Programm. Aber das Vorhaben scheiterte. Erst gab es Probleme mit den Baugenehmigungen und dann kam der Shutdown.

Karen Schröder

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