Fährfahrt in den Frühling

Ausflug

Berlin hat viele Fähren und einige von ihnen gehören zum regulären öffentlichen Verkehrsnetz. Mit einem normalen Fahrschein lassen sich der Frühling und die Natur vom Wasser aus genießen – ohne die Stadt zu verlassen

Irgendwann auf diesem Ausflug sitzt man mitten auf dem Müggelsee und weiß schon nicht mehr, der wievielte Kranich das jetzt war, den man reglos am Ufer sitzen sah. Das wievielte Boot, das wievielte liebevoll gehätschelte Wochenendgrundstück mit Fass-Sauna im Garten oder lauschiger Sitzbank direkt am Wasser. Still und schön ziehen sie vorbei, zu hören ist fast nur das leise Summen des Antriebs. Wir sitzen nämlich an Bord einer Fähre und sehen das alles durch die großen, bis fast zum Wasserspiegel reichenden Fenster. Genauer gesagt: in der Fähre der Berliner Verkehrsbetriebe, die davon insgesamt sechs Linien betreibt – offen für alle Fahrgäste mit einem gültigen Fahrausweis AB.

Alle diese Fähren verkehren an den Rändern, wo die Stadt schon langsam ins Dörfliche ausfranst: fünf davon in Köpenick am südöstlichen Ende der Stadt. Nur die F10 verkehrt genau gegenüber, zwischen Bahnhof Wannsee und Kladow im äußersten Südwesten. Dort fühlen sich die 20 Minuten Überfahrt fast wie eine Seereise an und an der Uferpromenade in Kladow kommt zwischen Eisständen und Bratwurstbuden sofort Ausflugsstimmung auf.

Bei der F23 zwischen Kruggasse und Müggelwerderweg betört auf der etwa halbstündigen Fahrt vor allem die besondere, ruhige Atmosphäre auf dem Wasser. Nach einem Zwischenhalt am legendären Veranstaltungsrestaurant Neu-Helgoland fährt sie bis zur Marina am Müggelwerderweg in Rahnsdorf.

Nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt bietet die F21 dann eine fast schon verwunschene Stimmung: Am äußersten Zipfel des legendären Campingplatzes Kuhle Wampe legt sie in einer Art Zeltplatzvorort aus säuberlich aneinandergereihten Wochenendfloßhäusern ab und fährt dann in wenigen Minuten ein Stück über den Seddinsee bis nach Schmöckwitz. Das ist so idyllisch und waldfriedlich, dass die Großstadt ganz verschwunden scheint.

Die Fähren im Netz der BVG bieten für Ausflügler eine schöne, günstige und umweltfreundliche Gelegenheit, einen Sonntag am und auf dem Wasser zu verbringen, ohne die Stadt zu verlassen. Dabei sind nicht alle in erster Linie zum Vergnügen da. Manche sind reguläre Verkehrsmittel – und echte Verkehrswege für Bewohner oder Nutzer der Wochenendgrundstücke. Die F12 zwischen Wendenschloss und Grünau ist seit jeher eine fest eingeplante Möglichkeit, um ohne Umweg über die Dahme zu gelangen. Entsprechend gradlinig und funktional ist diese Route: einmal rüber und zurück. Das gilt auch für die F11 – die hier seit Ende des 19. Jahrhunderts in zwei Minuten vom lauschigen Plänterwald nach Wilhelmstrand übersetzt. Mit dem Ausblick auf die Türme des Heizkraftwerks in Rummelsburg auf der einen und der neuen Minna-Todenhagen-Brücke auf der anderen Seite ist diese Route zwar nicht idyllisch – dafür aber voller urbaner Spannung.

Das Fährvergnügen funktioniert übrigens auch bei Regenwetter: auf allen Strecken verkehren komfortable, gepflegte, mit Solarenergie betriebene Fähren mit Sitzplätzen im Innern. Mit einer Ausnahme: Die Fährlinie F24 zwischen Müggelheim und Rahnsdorf überquert die knapp 40 Meter der Müggelspree mit nur 2 AS: Sie ist ein kleines Ruderbötchen namens Paule III mit Platz für acht Passagiere und einen Fährmann, der sie mit der Kraft seiner Arme übersetzt – immer dann, wenn Passagiere am Ufer warten. Wie bei allen Berliner Verkehrsfähren werden dabei auch Fahrräder mitgenommen.

An einigen Anlegestellen der Verkehrsfähren gibt es übrigens sogar kulinarische Entdeckungen zu machen – vom idyllischen Verkaufsstand der Müggelsee-Fischerei im Schatten der Rahnsdorfer Kirche an der F24 über die seit Generationen beliebte Traditionsgaststätte Neu-Helgoland in Müggelheim an der F23 bis zur Würstchen- und Eis-Flaniermeile an der Anlegestelle der F10 in Kladow. Und auch am Ende der F11 gibt es eine kuriose Entdeckung: Im maximal schmucklosen Anbau des Tennisclubs Grün-Weiß Baumschulenweg e.V. findet sich nämlich das polnische Restaurant Wawel. Wenn am Sonntag gegen 18.30 Uhr die letzte Fähre angelegt hat, kann man sich hier mit selbstgekochter Hausmannskost stärken.

Am Ende eines solchen Ausflugstages ist man dann heiter, tiefenentspannt und voll mit neuen Eindrücken – und gleich auch ein bisschen frischer verliebt in Berlin, das einen mit seinen versteckten Möglichkeiten jedes Mal wiederkriegt. Die Fährlinien im regulären öffentlichen Verkehrsnetz sind dabei ein Highlight und ein wahrer Luxus dieser Stadt – und ein Grund, sich mit der BVG trotz der vielen eher beschwerlichen Fahrten auf den unwirtlicheren U-Bahnlinien mal wieder gründlich zu versöhnen.

Susann Sitzler

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