Alba Berlin und die Ökonomisierung des Spitzensports

Alba Berlin verliert den Auftakt in der Euroleague gegen Panathinaikos Athen mit 77:87

Die Basketballer von Alba Berlin starte­ten Ende September in ihre mittlerweile 
35. Saison in der höchsten deutschen Basketballspielklasse.

Die neue Saison wird nicht einfach für die „Albatrosse“. Die Berliner Basketballer dominierten den deutschen Vereinsbasketball seit Mitte der 1990er- Jahre. Elf Meistertitel und ebenso viele Pokalsiege sind Ausdruck einer Überlegenheit, wie man sie von Bayern München im Fußball kannte. Doch gerade diese Bayern aus München bringen mit Ihrer Basketballmannschaft die jahrelange Vormachtstellung von Alba ins Wanken. Nicht nur, dass sie aktueller deutscher Meister sind und zwar im Final Four gegen Alba, wie das Finale bei den Basketballern heißt. Schwerer wiegt, dass die Münchener Basketballer finanziell in der Lage sind, sich personell zu verstärken, während Alba Berlin gezwungen ist, kleinere Brötchen zu backen und ihren besten Spieler der letzten Saison ziehen lassen musste. Axel Schweitzer, der Präsident von Alba, bemerkte vor dem Saisonstart: „Es ist kein Geheimnis, dass die Zeiten für uns herausfordernd sind. Viele Clubs investieren in der Euroleague enorme Summen in ihre Teams – weit mehr als sie am Markt an Einnahmen generieren. Jahr für Jahr machen diese Clubs Millionen-Verluste. Das wird nicht auf Dauer funktionieren.“ Und er versicherte: „Aber wir werden unseren Club nicht auf dem Altar des kurzfristigen Erfolges opfern, sondern wollen ihn weiter stabil und nachhaltig zu einer festen Institution bauen.“ Kenner und Experten sehen in Alba Berlin nicht einmal mehr die Mannschaft Nr. 2 im deutschen Vereinsbasketball hinter den Münchner Bayern, und die Fans sind in Sorge um ihre Mannschaft. Hat Alba die Zeichen der Zeit nicht erkannt?

Als Bayern München 2011 unter Federführung ihres Präsidenten Uli Hoeneß begann, ihre Basketballer wieder mehr zu fördern, sprang der Verein auf einen Trend auf, der schon längst am Laufen war. Die deutschen Spieler Detlef Schrempf und Dirk Nowitzki hatten durch ihren hohen Stellenwert in der amerikanischen Basketballliga NBA dem Sport auch hierzulande zu einem enormen Popularitätsschub verholfen. Basketball wurde zunehmend lukrativer für Investoren und Sponsoren. Bei den Basketballlern von Bayern München zeigten sich schnell Erfolge. Innerhalb zweier Jahre gelang ihnen der Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse.  Andere europäische Spitzenvereine des europäischen Fußballs hatten es den Bayern vorgemacht. Real Madrid, der FC Barcelona, Fenerbahce Istanbul sind die bekanntesten, die neben dem Fußball auch auf den Basketball setzen, um sich als Verein zu diversifizieren. Die Bekanntheit aus dem Fußball und die daraus resultierende Finanzkraft nutzen, um auch im Basketball schnell an der Spitze mitzuspielen, war und ist deren gängiges Erfolgsrezept. Der Begriff dafür lautet Multiverein.

Eine aktuelle Form der Diversifizierung ist durch die aufgekommene Popularität der Frauenfußballentstanden. Viele Fußballvereine eröffnen Frauenabteilungen und bringen eigene Mannschaften in die Frauenligen. Ein weiterer Trend ist das Multi-Club-Ownership (MCO), bei dem der oder die Eigentümer Besitzer mehrerer Vereine sind: Fußballkonzerne, unter deren Dach mehrere Teams vereint werden. Problematisch wird dies, wenn zwei dieser Mannschaften in einem Wettbewerb antreten, etwa in der Champions League. Ist dann noch fairer sportlicher Wettstreit gegeben oder bestimmt der Besitzer hinter den Kulissen den Spielausgang?

Der zunehmend härtere Wettbewerb führt bei den Vereinen und Klubs im Spitzensport zur Suche nach Wettbewerbsvorteilen organisatorischer und finanzieller Art. Das merken nun auch die Basketballer von Alba Berlin, die sich mit den Bayern vor der Nase einer veränderten Basketballlandschaft stellen müssen.

Alba Berlin entgegnet der zunehmenden Ökonomisierung mit einem völlig anderen Konzept. Der Verein beschreitet einen ganzheitlichen Weg, bei dem Sport, Nachwuchs und Stadt eine enge Bindung erfahren. Alba Berlin begann, im Herbst 2005 die Jugendarbeit auszubauen und mit dem Engagement bei Kindern im jungen Grundschulalter von sechs bis zwölf Jahren anzusetzen. Damit bringen die Albatrosse den Basketballsport dorthin, wo sich die Kinder den Großteil ihrer Zeit aufhalten – in die Schule. Inzwischen hat Alba Berlin auch für die älteren Schüler und Schülerinnen ein breites Angebot geschaffen. An 76 Grund- und 18 Oberschulen ist Alba mit seinen Partnervereinen aktiv und betreibt so insgesamt 200 Arbeitsgemeinschaften. In mehreren Trainingseinheiten pro Woche werden dabei die Grundfähigkeiten im Basketball vermittelt.

Marco Baldi, der Geschäftsführer von Alba: „Sich Woche für Woche mit den besten Teams des Kontinents zu messen und gleichzeitig das Ganztagsprogramm an Schulen zu organisieren – diese Verbindung mag für einen Profisportclub untypisch erscheinen. Aber: Wir sind überzeugt, dass das richtig ist und in Verzahnung eine noch stärkere Wirkung entfaltet.“

Nach dem Vorbild von Alba gehen seit 2012/13 die sechs großen Hauptstadt-Clubs zur Unterstützung des Sportunterrichts regelmäßig mit ihren Coaches in die Schulen. In Kooperation mit den Senatsverwaltungen für Bildung, Jugend, Wissenschaft sowie Inneres und Sport haben Alba Berlin, Hertha BSC, 1. FC Union, Füchse, Eisbären und BR Volleys das bundesweit einzigartige Modellprojekt „Profivereine machen Schule“ gestartet.

Damit entgegnet Alba Berlin der zunehmenden Ökonomisierung des Spitzensports mit einem viel breiter angelegtem Konzept. Kurzfristige sportliche Rückschläge sind dabei in Kauf zu nehmen, aber langfristig ist der Verein breiter und sozialer aufgestellt als jene mit ihren gängigen rein erfolgsorientierten Konzepten.

Das Alba-Männerteam 2024/25
Steffen Dobrusskin

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