Der Spreewald als Ort des Verbrechens

Interview mit Christian Redl

Der Spreewald ist seit Generationen ein beliebtes Ausflugsziel für Berliner. Wie gut sich die seltene Landschaft mit ihren weitläufigen Fließen, dichten Wäldern und Mooren auch als Kulisse für düstere Kriminalgeschichten eignet, zeigt die Fernsehreihe  Spreewaldkrimi im ZDF. 

Berliner Leben sprach mit Christian Redl (67), der von Anfang an charismatisch wortkarg als Torsten Krüger ermittelt  –  ein Kommissar mit Tiefgang. Im neuesten Spreewaldkrimi „Die Sturmnacht“ wollen Filmstudenten auf der Grundlage einer sorbischen Sage und des unaufgeklärten Verschwindens von zwei Frauen einen Film drehen. Doch dann sind sie wie von den Fließen verschluckt. Zurück bleibt ihr Laptop, auf dem ihre gedrehten Filmszenen gespeichert sind. Anhand dieser Clips versucht Kommissar Krüger diese beiden weit auseinanderliegenden Vermisstenfälle zu klären.

Wie gefällt es Ihnen in Lübbenau?

Ich freue mich immer sehr, wenn ich in den Spreewald zurückkehre. Kaum bin ich angekommen, habe ich das seltsame Gefühl, dass sich mein Herzschlag entschleunigt. Es gibt da eine Energie in der Luft, die mich schon nach kurzer Zeit runterbringt, die mir gut tut. Für Dreharbeiten ein geradzu idealer Zustand.

Die Rolle des Kommissars im Spreewaldkrimi scheint Ihnen wie auf den Leib geschneidert. Wie nah ist Ihnen Krüger tatsächlich?

Als ich die „Sturmnacht“ auf dem Festival in Ludwigshafen zum ersten Mal auf großer Leinwand gesehen habe, war ich beeindruckt von der enormen Wucht des Films. Es stimmt schon: Krüger und ich haben sehr viel gemeinsam. Sowohl er als auch ich mögen und brauchen das Alleinsein. Das selbstbestimmte Alleinsein wohlgemerkt – nicht zu verwechseln mit ungewollter Einsamkeit. Wie es in einem Stück bei Handke einmal hieß: „Beklag dich nicht, dass du allein bist, sondern sei noch mehr allein!“ Krüger hat in der selbst gewählten Einsamkeit nach dem schmerzlichen Verlust einer Beziehung wieder zu sich gefunden und das Alleinsein nie als Tortur sondern immer als Chance empfunden, mit sich selbst klar zu kommen. Ich habe Ähnliches durchgemacht, Krüger ist auch in mir.

Was macht diesen Kommissar so einzigartig?

Eine Besonderheit der Filme ist die Dichte zwischen Figuren, Landschaft und Handlung. Kommissar Krüger kam als Fremder in den Spreewald, inzwischen ist er mit ihm geradezu verwachsen – er hat ihn im Laufe der Jahre regelrecht eingeatmet. Das spürt der Zuschauer. Krüger redet nicht viel. Er sagt lieber einen Satz weniger als einen zu viel. Seine Welt ist Kontemplation. Er vertieft sich in die Betrachtung und er schaut den Menschen auf den Grund – er bewertet nicht und er weigert sich zu moralisieren.

In der „Sturmnacht“ machen sich Filmstudenten auf die Suche nach einem Fabelwesen. Fiktion und Realität gehen ineinander über. Die reichlichen Rückblenden und verschiedenen Zeitebenen sind ein  besonderes Merkmal der Filme. Gleichzeitig fordern sie eine große Aufmerksamkeit vom Zuschauer, nicht den Faden zu verlieren.

Oh ja, man sollte besser nicht zwischendrin zum Kühlschrank gehen. Der Zuschauer sollte sich schon konzentrieren, damit er die unterschiedlichen Ebenen immer richtig versteht und nichts Entscheidendes verpasst. Der Spreewaldkrimi fordert den Zuschauer ein bisschen mehr als andere Krimi-Formate.

Auf der Suche nach den vermissten Filmstudenten: Peter Fähnrich (Sammy Scheuritzel), Fichte (Thorsten Merten) und Kommissar Krüger (Christian Redl) laufen durch ein überflutetes Feld

In der „Sturmnacht“ machen sich Filmstudenten auf die Suche nach einem Fabelwesen. Fiktion und Realität gehen ineinander über. Die reichlichen Rückblenden und verschiedenen Zeitebenen sind ein  besonderes Merkmal der Filme. Gleichzeitig fordern sie eine große Aufmerksamkeit vom Zuschauer, nicht den Faden zu verlieren.

Oh ja, man sollte besser nicht zwischendrin zum Kühlschrank gehen. Der Zuschauer sollte sich schon konzentrieren, damit er die unterschiedlichen Ebenen immer richtig versteht und nichts Entscheidendes verpasst. Der Spreewaldkrimi fordert den Zuschauer ein bisschen mehr als andere Krimi-Formate.

Muss hier ein wertvolles Format gegen Quote antreten?

Bisher hatten wir das große Glück einer  guten Quote. Wir haben ein anspruchsvolles Format, das sich zu unserer aller Überraschung bereits mit der ersten Folge vor neun Jahren durchgesetzt hat und bei Kritikern und Zuschauern extrem gut ankam.

Die Region erhält eine ganz neue Aufmerksamkeit, die über Radtouren, Gurken  und Kahnfahrtourismus hinausgeht. Denken Sie, dass die Filme zu einer neuen Sicht und einem größeren Interesse an der Landschaft beitragen? Vor allem von Berlin aus?

Ja, das ist hier ganz deutlich zu spüren. Allein schon die Spreewald-Impressionen der wunderbaren Kamera-Bilder machen neugierig, die Landschaft zu besuchen und die Region kennenzulernen. Die Gegend profitiert ganz sicher von den Filmproduktionen hier. Es sollen sogar schon Kahnfahrten zu Schauplätzen stattfinden.

„Als Schauspieler "nichts zu machen"
ist viel schwierige als man glaubt.
 

Mit den Fällen verbinden sich Geschichte der Region, Familienangelegenheiten, alte Legenden, DDR-Vergangenheit und die einzigartige Landschaft. Ein Heimatfilm im besten Sinne.

Ja, so ist es. Alles ist sehr authentisch. Ich habe es als große Chance empfunden, einen Kommissar spielen zu dürfen, der nicht die gewohnten Klischees bedient, die immer einem vorhersehbaren Muster folgen.

Zum Beispiel?

Mir gehen Kommissare auf die Nerven, die herumblödeln oder ständig Bockwurst essen müssen. Nichts gegen Axel Prahl und Jan Josef Liefers, das sind wunderbare, erfolgreiche Schauspieler.  Aber mich interessieren Filme nicht, die sich von Pointe zu Pointe hangeln oder mit Imbissbuden Lokalkolorit erzeugen wollen. Krüger ist kein gewöhnlicher Kommissar, er trägt nicht einmal eine Pistole bei sich. Geschossen habe ich bisher nur in einer Folge („Die Tränen der Fische“). Und zwar mit einer geliehenen Pistole. Krüger ist schwer zu durchschauen und auch etwas unnahbar.

Mit Ausnahme von Kai Wessel, der in zwei Krimis Regie geführt hat, hat die Regie in jeder Folge gewechselt. Wie haben Sie dies im Hinblick auf die Arbeit an Ihrer Figur empfunden?

Das war sehr vorteilhaft für mich. Ich konnte mir von Folge zu Folge die Figur selbst erarbeiten. Die Regisseure haben mir nicht reingeredet und mich machen lassen. Der reduzierte Blick, mit dem ich z. B. auf das Wasser schaue, oder der Ausdruck einem Verdächtigen gegenüber, das alles hat sich erst nach und nach durch stetiges Reduzieren entwickelt. Als Schauspieler „nichts zu machen“ ist viel schwieriger als man glaubt. Erst, wenn man durch viele Erfahrungen und Prozesse hindurch gegangen ist, wenn das neutrale Gesicht ein gelebtes Leben hinter sich hat – dann kann man sich das leisten.

Sie können nicht nur spielen, Sie singen auch. Ihr Kollege Ulrich Tukur soll über Sie gesagt haben, Ihre Kraft auf der Bühne grenze ans Gewalttätige. Was für ein Lob.

Ja, wenn ich mich auf der Leinwand betrachte, könnte man mich tatsächlich für einen Metzger halten. Aber nicht nur: Ich habe offensichtlich zwei sehr unterschiedliche Ausstrahlungen, einerseits ist da die Kraft und andererseits ist da auch das Zerbrechliche.

Christian Redl schätzt den Spreewald auch außerhalb des Filmsets. Wir sprachen mit dem Schauspieler während einer Kahnfahrt

Letztes Jahr haben Sie ihr eigenes Album mit sehr persönlichen Liedern veröffentlicht. Die Texte haben Sie selbst geschrieben. Was hat Sie inspiriert?

Vor sechs Jahren, mit 61, habe ich meine jetzige Frau kennengelernt. Damals ging es mir nicht besonders gut, ich war allein und ich hatte diverse gescheiterte Beziehungen hinter mir.

Woran lag es?

An den zu hohen Erwartungen und einem unrealistischen Wunsch nach dauerhaftem Glück, um es kurz zu sagen. Ich bin in dem Sinne in Sachen Partnerschaft und Beziehungen auch nie wirklich gereift. Die Lieder, die ich auf der „Sehnsucht“-CD singe, sind eine Art Bilanz meines Lebens und meiner Erfahrungen mit Alkohol, den Frauen und der Liebe.

Und jetzt haben Sie es aber doch noch mal gewagt.

Dass mir das noch mal passiert und ich mit 67 die Frau meines Lebens heirate, hätte ich nie für möglich gehalten. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass ich endlich angekommen bin.

Danke für das Gespräch.

Ina Hegenberger

Diesen Artikel teilen:

Mehr zum Thema »Leben, Interviews, Kultur«