Eckart von Hirschhausen zählt seit etlichen Jahren zu den bekanntesten Fernsehgesichtern. Der Berliner Mediziner berührt als Komiker, Autor, Moderator, Lebensberater mit Themen wie Glück, Gesundheit und Liebe die Emotionen seiner Fans, die so zahlreich sind, dass es dem multimedialen Unterhaltungskünstler nicht schwer fallen dürfte, selbst die Berliner Waldbühne zu füllen. Ende August läuft dort die Wunderheiler-Show.
Sie sind andauernd unterwegs und touren jetzt mit einem neuen Bühnenprogramm durchs Land. Kommen Sie gern zurück nach Berlin?
Berlin ist und bleibt meine Heimatstadt, oder wo sonst bekommen Sie im Reisebüro einen solchen Dialog zu hören: „Wohin kann ich denn am billigsten fliegen?“,
Antwort: „Uff die Fresse.“ Nein im Ernst, die Berliner sind nicht wirklich unfreundlich, sondern mitunter nur etwas grantiger, um jedem auf der Straße zu signalisieren: „Ick bin keen Touri, ick war schon immer hier!“ Berlin ist eine wunderbare Stadt und ich freue mich schon besonders auf meinen Auftritt auf der Berliner Waldbühne am 30.8. Es wird ein großes Fest, weil ich fünf Tage vorher Geburtstag habe, es kommen befreundete Künstler, Musiker, Artisten und es gibt das „Wunderheiler“-Programm mit Band, vielen Überraschungen und mit Feuerwerk. Das gönne ich mir und meinen Fans einmal im Leben. Oft sagen die Leute, dass sie nie Karten bekommen, weil die Shows ausverkauft sind. Diesmal gibt es genug Platz für alle!
Sie kommen gerade von einer Besprechung beim Bundespräsidenten ...
Der Bundespräsident hat seit Jahren ein Bürgerfest, um all die Menschen in Deutschland zu ehren, die sich ehrenamtlich engagieren. Ich durfte in der Vergangenheit schon dort moderieren und bringe diesmal noch weitere Ideen ein, wie man einen Ort der Begegnung in dem großen Garten gestaltet. Dies mache ich zusammen mit den dm-Drogeriemärkten, meiner Stiftung „Humor hilft heilen“ und anderen Organisationen. Ziel ist, mehr Menschen für das Engagement zu begeistern. Und die Szene mit Themen zur Wirksamkeit, Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit zu inspirieren.
In Ihrem neuen Programm thematisieren Sie Schul- und Alternativmedizin. Was ist die Botschaft? Was kann das Publikum lernen?
Viel Spaß zu haben! In ers-
ter Linie ist es ja ein Unterhaltungsprogramm, mit Kabarett, Musik, Zauberei und viel Spontaneität – die Zuschauer im Live-Programm erleben mich ganz anders als im Fernsehen. Tatsächlich vermittelt sich zwischen den Gags und zwischen den Zeilen eine Menge zum großen Thema: was macht uns krank, was gesund, sind Schul- und Alternativmedizin tatsächlich unversöhnlich, oder gilt nicht viel mehr: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte? Medizin und Magie sind keine Gegensätze, sondern gehören zusammen – und zwar schon immer! In allen Kulturen gab es die „Medizinmänner“ und Frau--
en, die etwas von Kräutern, aber auch viel von Ritualen, Zauber und Gruppenprozessen verstanden. Wir haben aus diesem einen Beruf viele verschiedene gemacht und beschweren uns, dass uns weder der Röntgenarzt, der Psychotherapeut, der Heilpraktiker oder der Apotheker „ganzheitlich“ sieht. Ich bin sehr froh, im 21. Jahrhundert zu leben, wo ich bei Kopfweh nicht mehr in den Wald rennen muss, um selber Weidenrinde auszukochen, sondern an jeder Ecke das in einer verträglichen Darreichungsform bekomme. Ass ist ein ech-tes Wundermittel aus der Natur. Und die Einteilung in „natürlich“ und „künstlich“ ist vor allem eins: künstlich!
Wirken alternative Heilmethoden?
Ja, gut wirksam sind Yoga, Meditation, Entspannungsverfahren, Akupunktur bei Schmerzen und es gibt gute pflanzliche Mittel. Unsinnig sind Bioresonanz, Ohrkerzen und die allermeisten Nahrungsergänzungen. Gefährlich sind Leute, die behaupten, man könne Krebs mit Aprikosenkernen „aushungern“ oder dem neumodischen MMS – eine Art Domestos für Scharlatane – behandeln. Interessant ist die Homöopathie, weil sie so beliebt ist und auf sehr schwer nachvollziehbaren Ideen beruht. Aber was jeder Arzt von den Homöopathen lernen kann: Zeit nehmen, zuhören, Fragen stellen, Rituale verordnen und abwarten. Und dem Patienten mit etwas Unschädlichem die Zeit vertreiben, die der Körper braucht, um sich selbst zu helfen. Es ist noch nie jemand an einer Überdosis Arnika C30 gestorben, wohl aber schon von zu viel Paracetamol. Glaube, Liebe und Hoffnung helfen beim Gesundwerden, das ist seit Tausenden von Jahren schon jedem klar.
Das dringende Bedürfnis der Menschen nach einerseits seelischer Zuwendung und andererseits Hightech-Medizin, wie Sie sagen, und die Realität in Krankenhäusern gehen kaum zusammen. Woran hapert es?
Das größte Klinikum in Europa heißt „Charité“. Der Name kommt nicht von „Shareholder-Value“ sondern von „Caritas“ – der Nächstenliebe. Genau daran wird aber immer weiter gespart, auf dem Rücken der Pflegekräfte und der Patienten. Die Stimmung in den Krankenhäusern und Praxen macht mir ernsthaft Sorgen. Ich kann die Kollegen und die Pflegekräfte gut verstehen, die auf die Barrikaden gehen oder resignieren. Die Kürzungen am Personal sind desaströs, denn gerade Zeit und menschliche Zuwendung sind durch nichts zu er-
setzen und dürfen nicht der Profitmaximierung unterliegen. Mit meiner Stiftung möchte ich nicht nur Clowns in Krankenhäuser bringen, sondern auch gezielt diejenigen ansprechen, die noch viel länger als die Patienten unter den Bedingungen leiden: die Mitarbeiter.
Sie haben bei Auftritten einen Glücksbringer dabei. Sind Sie abergläubisch?
Auf der Bühne begleitet mich mein Stoff-Pinguin immer in meiner kleinen Arzttasche. Es ist noch das Original von meiner Kreuzfahrt, auf der meine beste Geschichte entstanden ist, die bei YouTube ein richtiger Hit wurde. Aber im Alltag habe ich keinen „Glücksbringer“, denn Aber--glaube bringt Unglück. Wenn man keinen Talisman hat, kann man auch keinen verlieren! Und ob eine schwarze Katze für Ihr Leben etwas bedeutet, hängt nicht von ihrer Laufrichtung ab, sondern von einer einfachen Frage: Bist du Mensch oder Maus?
Genügt es schon, wenn man jemandem etwas vorgaukelt?
Vorgaukeln klingt so negativ, ich spreche lieber von Illusionen, von heilsamen Selbsttäuschungen – und die können wir gar nicht genug schätzen. Wenn ich als Kind aufs Knie gefallen bin, hat meine Mutter gepustet und gesagt: „Schau, da fliegt das Aua davon!“ Mein ganzes Studium habe ich darauf gewartet, dass mir jemand erklärt, warum das so gut funktioniert. Und als Arzt muss ich ja selber gar nicht glauben, dass „Aua“ fliegen kann, es reicht doch, wenn das Kind das tut. Es wäre eine unterlassene Hilfeleistung, nicht zu pusten. Im übertragenen Sinne bedeutet das zum Beispiel auch, dass wir mit den Clowns nicht nur zu den Kindern gehen, sondern auch dem kindlichen Anteil von Erwachsenen und Senioren mit Humor eine kleine Auszeit von ihrer Krankheit oder dem Schmerz geben können.
Sie lassen Clowns für Krankenhäuser ausbilden, damit diese dort eine heilsame Stimmung verbreiten …
Lachen hilft gegen Schmer-zen. Das kann jeder ausprobieren: Hauen Sie sich mit einem Hammer zweimal auf den eigenen Daumen, einmal alleine und dann noch einmal in Gesellschaft. Sie spüren den Unterschied. Wenn ich mit anderen lachen kann, lässt der Schmerz nach. Deshalb sollte im Krankenhaus niemand lange alleine sein und etwas zu lachen bekommen. Meine Stiftung macht die Idee jetzt bundesweit noch bekannter, sammelt Geld und baut weitere Gruppen auf, organisiert Weiterbildung, Forschung und Seminare – auch für Ärzte und Pflegekräfte. Inzwischen sind Clowns auch sehr erfolgreich in der Altenpflege, gerade wenn sie Musik einbeziehen, erreichen sie auch bei Dementen eine Stimmungsverbesserung.
Es läuft dazu auch ein wissenschaftliches Programm, bei dem die Wirkung auf Reha-Patienten untersucht wird. Gibt es aufschlussreiche Ergebnisse?
Die Studie läuft noch, wir sind erst einmal sehr begeistert, weil es sich andeutet, dass die Motivation der Patienten und bestimmte Fähigkeiten für den Alltag sich verbessern. Aber da müssen wir noch ein Jahr warten, bis die Kontrollgruppe auch dran war und ausgewertet wurde. Es gibt leider bislang keine öffentliche Förderung für diese wichtigen Fragen, da bin ich Vorreiter und hoffe, langfristig auch die Kassen und Forschungsinstitute ins Boot zu holen.
Wie lernt man Humor? Sie lassen im großen Rahmen sogar medizinisches Personal schulen.
Es geht nicht darum, aus Pflegenden Clowns zu machen oder etwas „vorzuspielen“. Viel eher kommt in den Übungen die eigene Persönlichkeit wieder zum Vorschein, der eigene mitfühlende und beobach-
tende Draht zum anderen, die Freude im Kontakt, das Vertrauen auf die Kraft von Spontaneität in der Begegnung. Ein wichtiger Aspekt ist die eigene „Seelenhygiene“. Wie kann man belas-
tende Dinge loslassen, was baut Stress und Anspannung ab und wie sorge ich gut für mich, damit ich auch für andere sorgen kann. Das ist alles leider nicht Teil der Ausbildung, weder für Mediziner noch für Pflegekräfte, da können wir mit den Workshops einen kleinen Beitrag leisten zu einem hoffentlich großen Umdenken.
Es gibt viele Theorien des Humors. Und viele verschiedene Antworten. Die großen Philosophen Platon und Aristoteles forderten die Zähmung des „groben Lachens“ zugunsten von feinem Witz und kultivierter Ironie. Was ist Ihr Ansatz, wenn Sie wissenschaftlich in das Thema einsteigen?
Humor ist nicht Witze erzählen, sondern eine Geistes- und Herzenshaltung der heiteren Gelassenheit, verbunden sein mit anderen, nicht zynisches Auslachen, sondern miteinander die Absurdität und Widersprüchlichkeit des Lebens feiern. Unser Verstand will Recht haben, will wissen, was ist richtig und falsch, Gut und Böse, oben und unten. Und die Welt ist viel zu komplex und zufällig für uns. Daran kann man verzweifeln, oder man kann darüber lachen. Gesünder ist das Lachen. Und das lässt sich messen, an Stresshormonen, Aufmerksamkeit, Selbst- und Fremd-einschätzung.
Sie waren als Arzt im Praktikum in der Kinderneurologie beschäftigt. Wie haben Sie den Krankenhausalltag dort persönlich erlebt?
Das war eine sehr spannende Zeit, ich habe viel erlebt, was mich bis heute leitet und prägt. Ich habe großen Respekt bekommen vor der Art und Weise, wie Eltern damit zurecht kommen, wenn sie ein chronisch krankes Kind haben. Ich halte Kontakt mit den ehemaligen Kollegen, denn ich bin ja nicht weg von etwas, sondern hin zu einer Tätigkeit, die als kreativer und tendenziell chaotischer Mensch noch besser zu meinen Stärken und Talenten passt.
Ihre Bücher über Gesundheit, Glück, Liebe sind zum Teil Bestseller. Welche Aspekte des Lebens wollen Sie als Nächstes mit Humor angehen, gibt es Pläne?
In meinem Kopf gibt es noch zwei weitere Bücher: eines soll „Humor hilft heilen“ heißen, so wie meine Stiftung. Ich habe mich viel mit der Wissenschaft und Praxis von Humor beschäftigt, das ist so was wie mein Lebensthema. Aber ich schreibe die Bücher nicht im stillen Kämmerlein, sondern entwickle die Ideen auf der Bühne und schreibe sie dann auf. Das macht sie so lebendig und viele Leute sagen mir, dass sie beim Lesen laut lachen müssen. Das ist das größte Kompliment. Und so wird es zu meinem nächsten Bühnenprogramm „Wunderheiler“ sicher auch irgendwann das Buch geben über das Unerklärliche in der Medizin.
Danke für das Gespräch.