Mark Waschke (47) gehört zu den vielbeschäftigten Schauspielern. Er ist in Krimis, Dramen, im Kino und auf Theaterbühnen zu sehen. Dem Fernsehzuschauer ist der gebürtige Wattenscheider als Berliner Tatortkommissar Robert Karow bekannt. Wir sprachen mit ihm im Café Rocket & Basil an der Lützowstraße über seinen Beruf, Berlin und das Leben.
Zur Zeit spielen Sie in der Berliner Schaubühne einen Soloabend, den Sie selbst entwickelt haben. Der Titel ist etwas kompliziert und schwer zu merken ...
... „Ich ist ein anderer dieses wir bin nicht eine Pfeife (Metaware).“ – Es geht darum zu hinterfragen, warum wir tun, was wir tun. Dazu muss man die Dinge aus der Metaebene betrachten.
Was genau erwartet Ihre Zuschauer?
Ich erzähle viel Persönliches aus meinem Leben und singe. Ich frage mich, wie ich leben will. Oder wer ich bin, dass ich mir anmaße, diese oder jene Rolle zu spielen. Es geht um eigene Unzulänglichkeiten. Wenn ich Theater spiele, reizt es mich, bei den Proben oder auch während der Vorstellung das Stück und die Rolle, die ich gerade spiele, aus der Distanz zu betrachten. So habe ich Metaware entwickelt. Übrigens ist das Stück fast komplett improvisiert, jeder Abend ist anders, und es hängt natürlich auch vom Publikum ab, wie ich mit den Menschen in den Reihen ins Gespräch komme.
Funktioniert es?
Das Stück kam so gut an und hat es nun ins Repertoire geschafft. Eigentlich waren nur drei Aufführungen geplant. Im Herbst ist es wieder in der Schaubühne zu sehen.
Was sind die brennenden Fragen, um welche Themen geht es Ihnen vor allem?
Zum Beispiel wenn es um Beziehungen, Liebe, Treue und Monogamie geht, leben wir danach, weil wir denken, dass es so richtig ist. Aber Treue und Sex heißt für jeden etwas anderes. Treue macht man immer an sexueller Exklusivität fest. Dabei gibt es ganz viele Möglichkeiten, wie man zusammenleben kann. Treue kann ja auch Aufrichtigkeit bedeuten und nicht Besitz.
Was ist Ihre Idee von Beziehung?
Ich habe zwar nicht das Rezept für eine offene Beziehung, aber ich bin auch nicht für eisenharte Bindung, die ängstlich alles andere ausschließt, wie man noch leben könnte. Ich begrüße erst einmal alles, was alteingesessene Gewissheiten erschüttert.
Was wollen Sie Ihrem Publikum auf den Weg geben?
Es ist nicht die Message, die mir am Herzen liegt. Mich langweilen Theaterabende mit gewollten Botschaften. Aus einem guten Stück oder einem guten Film gehe ich anders nach Hause. Für den einen ist das inspirierend, was für andere keine Rolle spielt. Was für mich eine Fußnote ist, ist für den anderen die wichtigste Botschaft des Abends. Ich habe gelernt, dass mich genau das bei anderen wütend macht, was ich an mir selber nicht mag. Es geht mir darum, diesen wunden Punkt zu treffen, in den Abgrund zu schauen und es auszuhalten. Die Zuschauer können ihr eigenes Unbehagen und Defizite an mir aushalten und bestenfalls über die eigenen Unzulänglichkeiten sogar ein bisschen mehr lachen, anstatt sich damit zu knechten.
Sie machen auch Kopfstand auf der Bühne.
Es ist ein Handstand, könnte aber auch ein Kopfstand sein. Man sollte sich öfter mal auf den Kopf stellen, um die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Außerdem ist es gut, sich mal mit den Füßen vom Boden hochzureißen, um dann wieder mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu landen.
Sie wollten schon seit Ihrer Kindheit Schauspieler werden. Warum?
Das hatte für mich etwas mit Befreiung zu tun. Und mit Geschichten erzählen, wie am Lagerfeuer. Außerdem bin ich beim Fußballspielen über die eigenen Beine gestolpert und dem Vordermann in den Rücken gefallen. Beim Schauspielen kriege ich da vielleicht noch Szenenapplaus, aber beim Fußball wird man vom Platz verwiesen. So bin ich Schauspieler geblieben.
Im aktuelle ARD-Fernsehfilm „Zwischen zwei Herzen“ mit Anna Schudt und Felix Klare verlieben sich zwei Menschen, die feste Partner haben und eigentlich glücklich sind. Es geht um Beziehungen und Treue.
Ich wollte unbedingt mal wieder mit Anna Schudt spielen, mit der ich zuletzt vor 18 Jahren an der Schaubühne war. Sie ist eine tolle Schauspielerin, mit der ich alles spielen würde. Worauf es für mich immer wieder hinausläuft ist, es gibt kein Richtig und kein Falsch, und es gibt so viele Rezepte fürs Zusammenleben, wie es Menschen gibt.
Gibt’s Traumrollen?
Nö. Die, die ich gerade spiele, ist es. Und zum Glück muss ich nicht alles spielen, was man mir schickt.
Was spielen Sie gern?
Ich mache lieber einen Studentenfilm, wenn eine tolle Idee dahintersteht, als einen Kinofilm mit platten Rollenklischees. Das sollen dann andere machen. Bei deutschen Komödien finde ich es geradezu tragisch, wie doof deutscher Humor ist. Amerika hat eine großartige Standup-Comedy-Kultur. Was sich in Deutschland Comedy schimpft, kommt immer gleich mit politischer Wucht daher und ist diffamierend. Ich finde es bezeichnend, dass die angstbeherrschte Kultur der Deutschen sich auch beim Humor bemerkbar macht. Über sich selber lachen kann man nicht, aber sich immer gerne über den anderen stellen. Bis auf wenige Ausnahmen.
Woran liegt das?
Fortgesetzte Traumatisierung womöglich. Am Wetter kann es nicht liegen. Das ist ja auch anderswo in Europa schlecht. Aber weder die Finnen, Norweger oder Schweden haben es hingekriegt, einen Vernichtungskrieg anzuzetteln. Ich träume davon, die Welt zu verstehen – auf leichte, unterhaltsame Weise.
Als Berliner Tatortkommissar Karow spielen Sie einen scharfsichtigen Polizisten, aber charakterlich schwierigen Typen. Die Rolle kommt gut an beim Zuschauer. Was macht die Figur Robert Karow reizvoll?
Seine Direktheit und Gleichgültigkeit. Er ist darauf aus, mit größtmöglicher Effizienz den Fall zu lösen. Robert Karow kümmert sich nicht darum, was andere denken. Er verhält sich radikal. Und am Ende ist die Welt eben nicht in Ordnung. Der Mord ist aufgeklärt und alles ist noch mehr in Unordnung.
Sie kommen aus dem Ruhrgebiet, wohnten dann im Saarland und leben nun schon lange in Berlin. Keine deutsche Stadt entwickelt sich in so einem Tempo. Wie empfinden Sie die Veränderungen?
Wir leben in einer Zeit, in der sich auf unvorstellbare Weise alles radikal verändert. Die sozialen Widersprüche werden sich noch mehr verschärfen. Immer mehr Leute, die z. B. hier an der Potsdamer Straße Jahrzehnte gewohnt haben, können sich die Miete nicht mehr leisten und müssen wegziehen. Noch sind die Mietpreise zwar nicht auf dem Level von Paris und New York, aber 18 Euro pro Quadratmeter sind keine Seltenheit mehr. Trotzdem habe ich Hoffnung für Berlin mit seiner schönen Sperrigkeit.
Welche Orte in der Stadt mögen Sie?
Ich kann mit dem Kiezbegriff nicht viel anfangen. Ich mag den Bahnhof Zoo mit seinem 80er-Jahre-Flair. Ich finde gut, dass es das Tempelhofer Feld gibt und schätze den innerstädtischen Flughafen Tegel. Man ist so schnell weg aus der Stadt.
Was ist typisch Berlin?
Nichts von dem, was man uns vorgaukeln will. Ich wünsche mir, dass Berlin so ist wie New York, das nicht das typische Amerika ist. Aber Berlin ist typisch deutsch. Auch die hochgelobten Berliner Schrippen gibt’s in Wirklichkeit gar nicht. Meistens sind es irgendwelche Aufbackbrötchen.
Danke für das Gespräch.