Schlüsselblumen, Narzissen, Winterlinge und Buschwindröschen im Unterholz, goldgelb, zitronengelb, safrangelb, sind der Auftakt zu einem farbenfrohen Jahr. Die Natur macht es uns vor. Jedes Jahr wieder. Das richtige Kolorit sorgt für beste Stimmung. Am besten, man trägt das Farbenfeuerwerk der Natur auch hinein in die gute Stube. Das haben sich wie jedes Jahr die Trendforscher und Farbinstitute für dieses Jahr gedacht. Pantone, der weltweit agierende Anbieter und Berater in Sachen Farbe, hat für das Jahr 2023 leuchtendes Purpurrot ausgerufen. Hatte es doch schon strahlend Pink und Violett aus den sommerlichen Kollektionen der Modemacher hervor geblitzt. Freie Inneneinrichter und Spezialisten der Designzeitschriften empfehlen den neuesten Farbcocktail für einen anstehenden Neuanstrich in der heimischen Umgebung. Wer sehnt sich nach zehrenden Jahren im Homeoffice, wo man sich sein Zuhause schon mal satt gesehen hat, nicht nach einem Flash, am besten gleich einem Knalleffekt. Einem kuschligen roten Sofa, einem Plaid oder gleich einer ganzen roten Wand, die ordentlich Stimmung macht im Raum?
Steigt manch einem bei ihrem Anblick gleich der Blutdruck oder doch die Zornesröte ins Gesicht? Rot ist wie ein Adrenalinstoß. Blutrot. Rot ist Rot, ohne Wenn und Aber. Farben sind schließlich direkt mit unseren Gefühlen vernetzt. Wir geben Signale mit dem, was wir tragen. Rot ist der König der Farben. Dazu braucht man schon die entsprechende Energie, Lust auf den Auftritt. Gelb dagegen ist die Prinzessin. Etwas kapriziös, übermütig. Wer auf Blau setzt, ist vielleicht in Ferienstimmung. Wen wundert das? Sahniges Samtweiß ist wie ein wärmender Mantel an kalten Tagen.
Schon immer haben sich Menschen mit Farben auseinandergesetzt. Der französische Maler Paul Cézanne (1839–1906) soll gesagt haben, Farbe sei der Ort, wo unser Gehirn und das Universum sich begegneten. Farbe, dieses Wort kommt aus dem Althochdeutschen „farava“ und bezeichnete einst ganz allgemein die Eigenschaften und das Erscheinungsbild der Dinge. Erst viel später bezog man sich auf der Suche nach genauerer Definierung auf die Pflanzen, die Tiere oder die Welt der Mineralien.
Der DuMont Verlag hat schon vor zwei Jahren ein wundervolles Buch herausgebracht, das über hundert Farbtöne aus der Welt der Tiere, Pflanzen und Mineralien zeigt. Denn lange bevor die so genannten Pantone-Farbfächer aufkamen, entwarf schon der deutsche Geologe und Mineraloge Abraham Gottlob Werner (1749–1817) ein Farbensystem, das 54 Töne aller Couleur mit einzelnen Mineralien in Beziehung setzte. Der schottische Pflanzenmaler Patrick Syme (1774–1845) entwickelte Werners System durch den Blick auf Flora und Fauna weiter. Er verdoppelte die Zahl der Farben.
Das Buch ist unvergänglich und bietet zu allererst allen Naturfreunden eine poetische Reise in die Welt der Farben. Milchweiß, Schokoladenrot, Rauschgelborange oder Zeisiggrün heißen die Beschreibungen. So Schottisch blau wie das Halsgefieder einer Blaumeise. So Tintenschwarz wie die Beeren des bittersüßen Nachtschattens und so Scharlachrot wie der in Südamerika beheimatete Scharlachibis. Man kann schwelgen in Farbtafeln, schönen Illustrationen
und lyrischen Farbbezeichnungen.