Kaum eine Restaurant-Sparte ist in den vergangenen Jahren so gewachsen wie die der Sushi-Restaurants. Mit etwas Übung kann man das japanische Fingerfood auch selbst zubereiten. Ein paar Regeln vor dem Selbermachen und dem Genuss können nicht schaden.
Sushi ist „Fisch mit Etwas“ sagt Naoto Kono und wendet sich gleich wieder konzentriert seiner Arbeit zu. Dem 60-jährigen Japaner zuzuschauen, wie er den Fisch für das Sashimi auswählt, ihn gemächlich in zarte Tranchen teilt und dann wie einen Fächer an ein gezacktes Shiso-Blatt neben ein Häufchen geraspelten saftigen Rettichs lehnt, ist fast Kontemplation. Seit 16 Jahren ist Naoto Kono einer von drei japanischen Köchen im Restaurant Vox des Berliner Hotels Grand Hyatt und dort zuständig für Sushi.
Sushi ist längst weltberühmt. Das japanische Streetfood gibt es sowohl in eleganten Restaurants, aber auch als Take-away in bald allen großen Städten. „Die Geschichte des Sushis ist schon Jahrhunderte alt,“ erzählt Naoto Kono. „Um den frischen Süßwasserfisch zu konservieren, bewahrten ihn die Fischer im Mekong Delta Vietnams einst in gesalzenem Reis auf.“ Der fermentierte.
Anfangs habe man den dann säuerlich schmeckenden Reis noch entsorgt und nur den Fisch verspeist, so Kono. Im Laufe der Jahrhunderte, nachdem Sushi auch in China und schließlich in Japan populär wurde, habe man den gesäuerten Reis dann auch sehr gern gegessen. Das ursprüngliche Oshi Sushi, so nennt man die alte Zubereitungsart, könne man noch heute in Japan bekommen, erzählt Kono weiter, während er den vorbereiten Reis auf eine mit Küchenfolie bespannte Bambusmatte streicht und Gemüsestäbchen für ein veganes Sushi darauf arrangiert.
Sushi, so wie wir es heute kennen, gibt es auch in Japan erst seit dem 19. Jahrhundert. Bei uns regieren längst Vielfalt und Einfallsreichtum. Der Reis muss nicht mehr gären, allenfalls ruhen. Das Wort Sushi kommt von dem japanischen „su“: Essig und „meshi“: Reis. Sushi ist japanisches Fingerfood. Eine der vielen Spielarten ist Sashimi, bei dem der reine Fisch ganz ohne Reis serviert wird. Werden Fleisch oder Fisch vorher mariniert und ganz kurz angebraten, nennt man das Tataki. Maki und Nigiri heißen die Basis-Sushis. Beim Maki werden Fleisch, Fisch oder rohes Gemüse in ein Nori-Blatt aus getrockneten Meeresalgen gerollt, und beim Nigiri ruht der Fisch locker auf einem Sockel aus Reis.
Sushi ist zwar gerade sehr trendy, bleibt aber immer auch Tradition und ästhetische japanische Esskultur. Die Zubereitung ist eine Handwerkskunst, wie wir über den Tresen hin sehen können. Mit profanen Häppchen gegen den Hunger hat das wenig zu tun. Philosophie, Geschichte und Respekt vor der alten Kultur und dem Können der Sushi-Chefs schwingen mit. Die kleinen Appetithäppchen sehen oft aus wie winzige Petit fours. Dem Einfallsreichtum und der künstlerischen Fähigkeit sind aber keine Grenzen gesetzt.
Bei aller Tradition ist Sushi Kult und mit den richtigen Zutaten auch sehr gesund. Dennoch stellt sich beim Besuch eines Sushi-Restaurants gleich eine gewisse Andacht ein. In fast allen großen und kleineren Städten auch außerhalb Japans findet man Sushi-Bars, Sushi-Take-aways und Sushi in den Kühltheken der Supermärkte. Und immer mehr Liebhaber der feinen Häppchen versuchen sich auch zuhause an der Kunst der Zubereitung. „Sowohl für den Restaurantbesuch als auch für das Heimspiel sollte man ein paar Regeln beachten“, findet Kono.
Wir nehmen das vom Kellner dargebotene heiße und feuchte Handtuch, um uns die Hände zu reinigen, die vielleicht zum Essen der Sushis noch gebraucht werden. Wir sitzen im Restaurant an einer Sushi-Bar und können den Köchen beim Arbeiten zuschauen. Nichts wirkt gehetzt, eher gemessen. Man zeigt Anerkennung für ihr kunsthandwerkliches Können. Jetzt bloß nicht fragen, ob der Fisch auch frisch ist. Topfrischer Fisch ist erstes Gebot. Rosig wie Marzipan liegen die rohen Fischriegel vor uns hinter Glas.
Unsere Sushis sind fertig, und Kono empfielt, mit dem leichten, dem weißen Fisch zu beginnen. Das kann ein saftiger Steinbutt sein, wie in unserem Fall, das Fleisch einer kräftigen Makrele oder Teile vom Kalmar. Dann erst greife man zum roten, dem fettigeren Fisch. „Lachs geht immer und ist bei den Deutschen der beliebteste Fisch fürs Sushi“, weiß er und verrät seine eigene Vorliebe für Thunfisch, hier besonders das Bauchfleisch. „Das ist kostbar.“ Nigiris darf man gerne mit der Hand essen. Für die Sashimis sind die Stäbchen da.
Jetzt bloß nicht das Sushi mit der Reisbasis in die Sojasoße stippen. Die weicht schnell auf und zerfällt dann unschön im Schälchen. Besser mit den Stäbchen den Fisch mit der Sojasoße betupfen. Das ist neu. Beim Nigiri nur den Fisch leicht eintunken. Nie würde jemand in Japan Wasabi mit Sojasoße vermischen. Kono zieht unmerklich die Augenbrauen hoch. Besser man gibt einen kleinen Dip oben auf den Fisch. Sushi wird mit einem Happs aufgegessen. Genau dafür sind sie portioniert. Zwischen den Leckereien ist der hauchzart geschnittene Ingwer als Erfrischung gedacht.
Was brauchen jetzt eine ambitionierte Hobbyköchin und -koch für eine kleine Sushi-Session zuhause? Erst mal Zeit und Geduld, wie wir sehen können, und neben einer kleinen Bambusmatte jede Menge Frischhaltefolie, damit nichts klebt, und ein wirklich gutes scharfes Messer sowie die richtigen topfrischen Zutaten und Herangehensweisen. Wobei der Reis die Hauptrolle spielt. Kono empfiehlt auf jeden Fall einen japanischen Premium-Reis. Der deutsche Rundkornreis, der gern für Milchreis verwendet wird, ginge gar nicht. Oft sei das Korn nicht einwandfrei, sondern gebrochen. „Der für Sushi verwendete Reis muss kleben, aber nicht zu sehr. Er darf nicht matschig sein.“
Für das richtige Garziehen gilt die Regel: eine Tasse Reis und 1,2 Tassen stilles Mineralwasser. „Bloß kein Leitungswasser für den feinen Reis verwenden“, rät Kono. Das sei viel zu hart. Vorher wasche man ihn mehrfach in einer Schale und lasse ihn dann in frischem Wasser eine halbe Stunde lang stehen. „Auf keinen Fall im Sieb unter fließendem Wasser spülen.“ Dann ab in den Topf mit dem ungesalzenen Wasser und Deckel drauf. Sollte der Reis mal ansetzen, mache das nichts. „Auch leicht angebrannter Reis schmeckt wegen der Röstaromen“, findet der Koch.
Für das Sushi solle man die lockere obere Schicht vom Reis abfüllen und mit Reisessig, Salz und Zucker abschmecken. Dann das Ganze bei etwa 36 Grad zugedeckt warm halten. Je nachdem, was daraus werden soll: den Reis auf die mit Frischhaltefolie belegte Bambusmatte streichen, mit Fisch, Fleisch oder Gemüse belegen und mit Bedacht und Gefühl rollen. „Nicht zu leicht und nicht zu fest“, sagt Kono und wir schauen seinen flinken Händen dabei zu. Darin liegt also die Kunst, damit die kleinen mundgerechten Stücke auf dem Weg in den Schlund nicht auseinander fallen.
Sind Sie noch da, liebe LeserInnen? Oder haben Sie schon aufgegeben und gehen doch lieber in eine Sushi-Bar, wo die appetitlichen Teller so schön rotieren? Wenn nicht, dann haben Sie hoffentlich nicht die billige industriell gefertigte Sojasoße gekauft, sondern lieber in so eine dickflüssige Version, die mehr als zehn Jahre im Eichen- oder Zedernholzfass gereift ist, investiert. Die enthält Soja, Honig, Sake und Aalpulver und schmeckt ein bisschen wie ein guter Balsamico. Beim Wasabi, der ja üblicherweise eigentlich kein Wasabi ist, sondern ein Meerrettichpulver mit Senf, Maisstärke und einer grünmachenden Lebensmittelfarbe, muss man nicht zum echten Wasabi greifen. Der wird auch in den meisten Restaurants kaum angeboten, weil er sehr teuer ist. Bietet sich wie uns die Gelegenheit, sollte man ihn trotzdem mal kosten.
Der Ober raspelt vor unseren Augen ein kleines hellgrünes Häufchen auf den Teller. Frisch geriebener Wasabi ist tatsächlich ein aromatisches, grünes und sehr flüchtiges Vergnügen. Im Gegensatz zur Paste, deren Schärfe lange nachklingt und erst mal beißend in die Nase steigt, verklingt seine fruchtige Schärfe schnell wie eine schöne Erinnerung.
Während wir die Sashimi mit den Stäbchen zum Mund balancieren und die Sushis beherzt mit den Fingern packen, schaut Kono von vorne oben milde lächelnd auf unsere Bemühungen, während seine Hände unten hinterm Glas schon die nächsten Kunststücke fabrizieren. Das Restaurant hat sich gefüllt. Genau genommen sollte man jetzt noch das Bier stehen lassen und das Ganze mit einem wirklich anständigen Sake begleiten, der natürlich kalt getrunken wird. Alternativ ist ein grüner Tee bei den Japanern erlaubt. Und nicht vergessen, das Dankeschön an Kono, unseren Sushi-Chef: Domo arigato!
Information
Mochi:
Crispy und Crunchy,
Knuspriges aus Japan,
Brandstätter
207 S., 35 Euro