Die Fußballsaison für die Vereinsmannschaften befindet sich auf der Zielgeraden. Allerorten geht es um Meisterschaften, Endspiele und Pokale. Ligaverbleib oder Abstieg einerseits, den erhofften Aufstieg andererseits. Am Horizont zeichnet sich aber schon der Saisonhöhepunkt ab: die Fußball Europameisterschaft.
Die UEFA hat Deutschland zum Veranstalter der Fussball-EM 2024 gekürt, womit es das erste Mal seit der Wiedervereinigung das größte europäische Fußballturnier ausrichtet. Auch für Berlin ist die Europameisterschaft das Sport- und Tourismus-Ereignis des Jahres. Vom 14. Juni bis 14. Juli wird in der Stadt vier Wochen lang das Fußballfieber herrschen. Über 2,5 Millionen Besucher aus über 120 Ländern werden erwartet. Deutschlandweit kämpfen 24 Teams in zehn Stadien um ein erfolgreiches Abschneiden. Berlin allein mit fünf Spielen und dem krönenden Endspiel wird dann zum Epizentrum des europäischen Fußballgeschehens.
Und auch die zur Fanmeile eingerichtete Straße des 17. Juni soll alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Von der Siegessäule bis zum Brandenburger Tor findet das Uefa-Festival statt, das mit einem Eröffnungskonzert am 12. Juni beginnt. Dabei rollt Berlin den Gästen und Einwohnern nicht den roten Teppich, sondern den grünen Rasen aus – im buchstäblichen Sinne. Ein künstlicher Rollrasen wird die beiden Teile des Tiergartens verbinden. Er symbolisiert ein überdimensionales Fußballfeld. Die Installation eines ebenfalls überdimensionalen Fußballtores unmittelbar vor dem Brandenburger Tor verwandelt das Wahrzeichen der Hauptstadt vier Wochen lang zum größten Fußballtor der Welt. Pro Spiel werden auf dem Fußballfestivalgelände, das bis zur Siegessäule reicht, 130 000 Besucher erwartet. An den spielfreien Tagen lädt die Meile mit Kultur zum Flanieren ein. In der Fanzone auf dem Platz der Republik vor dem Reichstag können Fußballbegeisterte beim Public Viewing sämtliche 51 Spiele live verfolgen. Hier gibt es dann das größte Fan-Lokal der Welt und auf zwei Bühnen ein großes Kulturprogramm, Installationen und Kunstevents. Auch am Breitscheidplatz und am Alexanderplatz werden Fan Meeting Points das Stadtbild prägen. Die Kulturbrauerei, der Prater Biergarten in Prenzlauer Berg, das Café am Neuen See in Tiergarten oder der das Zenner in Treptow sind nur einige der vielen Angebote für gemeinschaftliches Fußballgucken.
Wird es ein neues Sommermärchen geben?
Deutschland hat mit der Europameisterschaft die Chance, mit den Fans der teilnehmenden 23 anderen Nationen ein europäisches Fest zu zelebrieren und den europäischen Gedanken zu stärken – gerade auch in diesen schwierigen europäischen Zeiten. Einerseits sind die Vorteile der europäischen Integration, etwa beim Reiseverkehr der Fußballanhänger deutlich. Andererseits wird durch den Ausschluss Russlands vom Wettbewerb eine der aktuellen europäischen Bruchstellen ersichtlich. Die Werte des Fußballs, wie Respekt, Fairness und Zusammenhalt, sind für unser gesellschaftliches Zusammenleben wichtig. Durch die länder- und schichtenübergreifende Popularität des Fußballs bietet die Europameisterschaft eine Chance, kulturelle Vielfalt einem breiten Publikum zu präsentieren. „Vom Fußball berührt“ lautet daher das Motto des Rahmenprogramms zur Europameisterschaft. Dazu zählt die Ausstellung „Sport.Masse.Macht. Fußball im Nationalsozialismus“ im Olympiapark (dem ehemaligen „Reichssportfeld“) und in unmittelbarer Nähe des Olympiastadions. Die Schau thematisiert, wie der Fußball und seine Popularität ideologisch missbraucht wurden. Die Ausstellung fokussiert sich auf Machtstrukturen sowie das Schicksal jener Menschen im Sport, die unter der rassistischen und antisemitischen Politik leiden mussten.
„Ballett der Massen“ lautet das Projekt des Hauses der Kulturen der Welt. In einer Reihe von Podiumsdiskussionen und Workshops wird über Themen wie Hate speech, Gender und die großen Geldflüsse im Fußball diskutiert. Auch Tanz und Performances sind ein zentrales Element des Programms und werden mit starkem Bezug zu verschiedenen Communities in Berlin inszeniert. Außerdem gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Radio und Podcasts.
Im Haus der Kulturen der Welt und in der Berliner U-Bahn, in der Buslinie 100 und in Booten auf der Spree findet ein Literaturprogramm mit Lesungen und Diskussionen statt. Eine Auswahl von Biopics, Spiel- und Dokumentarfilmen greift Themen im Fußball auf.
Die Wanderausstellung „Fan.Tastic Finals 2024“ bildet die Fortsetzung von „Fan.Tastic Females – Football Her.Story“, in der Mädchen und Frauen über ihre Liebe und Leidenschaft für das Spiel, ihren Weg auf die Tribüne, ihre größten und lustigsten Geschichten des Fanseins, aber auch über die herausfordernden Erfahrungen als Frau und Fußballfan Auskunft geben. Weibliche Fußballfans und die Rolle von Frauen im Fußball stehen dabei im Fokus.
Es ist also alles angerichtet für ein großartiges Fußballfest in Berlin. Als gedankliche Vorlage wird hierbei oft das Sommermärchen von 2006 herangezogen. Vielleicht ist das ein wenig hoch gegriffen und dadurch eher Bürde als Ansporn, denn damals kamen mehrere nicht planbare Faktoren zusammen: durchweg sommerliches Wetter, eine sportlich über sich hinauswachsende Nationalmannschaft, die Begeisterung entfachte, und kein hoher Erwartungsdruck an das Event selbst. Denn wie schnell die Begeisterung nach einem frühen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft abflauen kann, musste man bei den letzten großen Turnieren sehen.
Information
Fußball-Europameisterschaft vom 14. Juni bis 14. Juli 2024.
Deutschland wird im Sommer 2024 zum vierten Mal eine Fussball-Endrunde austragen. Nach der WM 1974 folgten die EM 1988 und die als Sommermärchen bezeichnete WM 2006.
